Lovis Corinth war nicht der erste, der die Kreuzigung Jesu malte. Kreuzigungsbilder gibt es gefühlt wie Sand am Meer. Lange Zeit malten Künstler fast ausschließlich für den Adel und die Religion und somit immer wieder die gleichen Bilder: Biblische Szenen, Portraits und große Schlachten.
Lovis Corinth aus Ostpreußen lebte in einer Zeit, als für die Künstler alles möglich geworden war. Und so malte er auch alles: Kreuzigungsbilder, Portraits, den wunderschönen Walchensee, nackte Frauen, Stillleben und Schlachthofszenen. Alles hatte für ihn einen Reiz und einen Wert festgehalten zu werden.
Viele Jahre hatte der studierte Künstler Corinth dennoch keinen Erfolg. Erst in seiner Lebensmitte gelang es ihm mit dem Bild Kreuzabnahme ein Bild zu verkaufen. Wenige Jahre später malte Corinth die Kreuzigung, das Altarbild der Tölzer Johanneskirche, das bekanntlich der Fabrikant Ernst Heckert aus Kochel der Gemeinde spendete. Er war zuvor im Tölzer Krankenhaus von einer schweren Krankheit genesen. Die Kreuzigung ist nicht das einzige Kreuzigungsbild von Corinth. Sein Bild der „rote Christus“ ist ganz anders, martialisch und voller Blutspritzer.
Im Alter baute seine Frau Charlotte für Lovis ein Haus am Walchensee. Es wurde zum Rückzugsort des Künstlers. Damals ging es am Walchensee noch ruhig und beschaulich zu. Nun wurde Corinth zum Landschaftsmaler. Mit seinen Landschaftsbildern hatte er seinen größten Erfolg. 1925 verstarb Corinth auf einer Reise in Holland. Er wurde in Berlin beigesetzt.
Somit erlebt Corinth nicht mehr, wie seine Kunst von den Nazis als entartet verunglimpft wurde. Zu Lebzeiten hatte der Maler selbst andere Kunststile verdammt. Er begrüßte den 1. Weltkrieg als Chance eines Neubeginns, in dem auch die deutsche Kunst zeigen konnte, dass sie die international bedeutsamste sei. „Wir“, sagte Corinth, „wollen der Welt zeigen, dass heute deutsche Kunst an der Spitze der Welt marschiert. Fort mit der gallisch-slawischen Nachäfferei unserer letzten Malerperiode!“ Traurigerweise war Corinth bei der Bewertung anderer Kunststile nicht besser als die Nazis.
Aber Corinth wusste um seine Fehlbarkeit. Auf seiner „Kreuzigung“ malte er sich selbst ans Kreuz rechts. Er hätte sein Gesicht ebenso gut dem Jünger Johannes oder gar Christus verpassen können. Stattdessen gab er einem der Verbrecher am Kreuz sein Gesicht und schlüpft in die Rolle des Sünders, des Leidendens, des Vergebung bedürftigen Menschen. Ein starkes Zeichen der Buße.
In diesem Jahr jährt sich der Todestag von Corinth zum 100. Mal. Wir gedenken seiner als vielseitigen Künstler, Maler unseres Altarbildes. Ein Maler, den man nicht im traditionellen Sinne religiös nennen kann, und der doch über sein Werk einen intensiven religiösen Bezug entwickelte, nicht zuletzt über die „Kreuzigung“. Immer wieder wird in diesem eher düsteren Bild das kleine weiße Dreieck zwischen Jesus und Maria als Hoffnungszeichen gesehen. Während sich über den Köpfen noch dunkle Wolken stauen, wird es am Horizont wieder hell! Aber noch viel interessanter ist das Selbstportrait des Malers an der Seite von Jesus als Mitgekreuzigten. Wir können Lovis Corinth nicht mehr fragen, was er damit ausdrücken wollte. Aber wir können es uns gut denken. Und wir können uns mit ihm einreihen in die Passion in Demut und mit Hoffnung auf eines der letzten Worte des Gekreuzigten an sein Gegenüber: du wirst mit mir im Paradies sein. Amen.
JS 2025
