Liebe Gemeinde,
nach einer historischen Pause, feiern wir wieder Gottesdienste in unserem Land und auch hier in der Johanneskirche. Ganz gottlos waren die letzten zwei Monate zum Glück dennoch nicht. Es gab Einkaufsgutscheine oder Hilfsangebote, teils mehr als tatsächlich gebraucht wurde.
Unsere ganze Gesellschaft hat sich als solidarisch gezeigt. Wir haben Abstand gehalten, tragen Masken um andere zu schützen.
Vereinzelt gab es auch Menschen, die aus der Krise ihren Profit geschlagen habe und z.B. Masken zu Wucherpreisen verkauft haben, aber gottlos waren die letzten Monate wahrlich nicht. Gottesdienste und geistliche Impulse gab es im Fernsehen, im Radio, auf unserer Homepage im Internet, als Andachts-App auf dem Smartphone und auch auf YouTube.
Dennoch hat manchen etwas gefehlt. Die Begegnung mit anderen Menschen und der Austausch auch wenn es oft nur ein kurzes „Grüß Gott“ und „Auf Wiedersehen“ sein mag. Die Musik, die so ganz anders ist, als wenn wir das Radio aufdrehen. Oder das gesegnet werden.
Es gibt vieles in einem Gottesdienst zu erleben. Und manchmal ist es schon allein das Ritual, das den Sonntag zum Sonntag macht und das einfach dazugehört, weil wir es von Jugend auf uns so antrainiert haben.
Krisen bringen angeblich das Wesentliche ans Licht. Und so habe manche von uns gemerkt: der Gottesdienst ist für mich persönlich systemrelevant. Er gehört zu meinem Leben, vielleicht gar zu meiner Identität dazu.
Das ist natürlich nicht für alle Menschen so. Sogar für viele unserer Gemeindemitglieder ist das nicht so. Denn sonst hätten wir häufiger volle Kirchen und die Angebote von Lesepredigt bis hin zum Fernseh-Gottesdienst hätten mehr Klicks als die neuesten Netflix-Serien oder die Amazon-Seite.
Zur Wahrheit, die die Krise ans Licht gebracht hat, gehört auch, dass die Menschen nicht alle plötzlich fromm geworden sind. Wir sind die gleichen Menschen wie vor der Krise geblieben. Und so freut sich der eine auf den Gottesdienst und dem anderen ist diese Veranstaltung nach wie vor unwichtig oder fremd, weil er sich hier überfordert vom liturgischen Ablauf selbst fremd fühlt.
Das beschäftigt uns irgendwie immer wieder obwohl es keine Veranstaltung gibt, zu der alle Menschen rennen, ganz egal ob Fußballspiel, Rockkonzert, Tatort oder Gottesdienst. Jeder wählt aus, was er meint, dass ihm gut tut.
Fußballspiel, Rockkonzert, Tatort, der Gottesdienst passt nicht ganz in diese Aufzählung. Ein Gottesdienst ist nicht nur Freizeitvergnügen. Ich will mich hüten vom Mysterium des Gottesdienstes zu schwadronieren, und doch ist der Gottesdienst gerade in seiner Fremdheit zu unserm Alltag wichtig.
Ein Gottesdienst ist nichts alltägliches, keine lebenserhaltende Maßnahme. Das Essen und Trinken hier ist nur symbolisch. Insofern war es ein Leichtes Gottesdienste zu verbieten.
Dabei ist er gerade in Krisenzeiten besonders wichtig. Wann sonst brauchen wir den Zuspruch von Zuversicht so dringend. Und Abstand halten, dass konnte man auch vor der Krise in den Gottesdiensten ganz gut.
Gottesdienste wurden deshalb vermisst, sogar von Menschen, die nie zum Gottesdienst kommen. Wahrscheinlich, weil Gottesdienste Symbole für Hoffnung sind. Und insofern für unser Überleben irgendwo dann doch wichtig.
So langsam fragen sich die ersten, wann ich heute endlich zum Predigttext komme. Ich kann beruhigen: wir sind schon mitten drin. Denn der Predigttext ruft uns heute zur Besinnung über den Gottesdienst auf.
Heute hören wir von den Wurzeln unseres Gottesdienstes im jüdischen Tempelkult. Schon vor 3000 Jahren ließ Salomo, der Sohn und Nachfolger von König David, für Gott ein Haus in Jerusalem errichten. Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde es eingeweiht.
Wir hören den Predigttext aus den 2. Buch der Chronik:
2 Da versammelte Salomo alle Ältesten Israels, alle Häupter der Stämme und die Fürsten der Sippen Israels in Jerusalem, damit sie die Lade des Bundes des HERRN hinaufbrächten aus der Stadt Davids, das ist Zion. 3 Und es versammelten sich beim König alle Männer Israels zum Fest, das im siebenten Monat ist. 4 Und es kamen alle Ältesten Israels, und die Leviten hoben die Lade auf 5 und brachten sie hinauf samt der Stiftshütte und allem heiligen Gerät, das in der Stiftshütte war; es brachten sie hinauf die Priester und Leviten.
12 und alle Leviten, die Sänger waren, nämlich Asaf, Heman und Jedutun und ihre Söhne und Brüder, angetan mit feiner Leinwand, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. 13 Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem HERRN. Und als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte: »Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig«, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, als das Haus des HERRN, 14 sodass die Priester nicht zum Dienst hinzutreten konnten wegen der Wolke; denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte das Haus Gottes.
Liebe Gemeinde,
das klingt irgendwie alles ein bisschen fremdartig. Da ist die Rede von Zimbeln und von der Bundeslade. Aber vieles kommt uns auch bekannt vor: da gibt es Priester und Tempeldiener. Letztere nennen wir heutzutage Mesner. Es gibt Lieder und Gebete. Und letztlich gibt es die Anwesenheit Gottes, die in Form einer Wolke beschrieben wird.
Gott ist gegenwärtig, haben wir eingangs gesungen. Das ist es wohl, was wir uns alle wünschen: Dass Gott in unserer Mitte gegenwärtig ist. In unserer Welt ist Gott, ist die Liebe, nicht immer zu spüren. Da gibt es krisenbedingt Zukunftsängste, Menschen, die sich allein gelassen fühlen, Überlastung in den Familien, häusliche Gewalt und wirtschaftliche Existenzsorgen. Unsere Welt ist manchmal lieblos. Umso mehr brauchen wir Räume wie diesen, wo wir an Gott erinnert werden und vielleicht sogar etwas Liebe spüren.
In der biblischen Anfangs-Zeit war Gottesdienst mit Opfern noch eher ein Dienst an Gott. Heute verstehen wir „Gottesdienst“ als Dienst Gottes an uns. Konkret wird das im bedingungslosen Willkommensein, im Wort der Heiligen Schrift oder in einer schönen Melodie.
Unser Gesang wird in den nächsten Monaten noch etwas gedämpfter ausfallen müssen. So ein strahlender Gottesdienst wie bei der Einweihung des Tempels in Jerusalem, wird es vorerst nicht geben. Aber es wird wieder Gottesdienste geben, uns zum Segen und Gott zur Ehre.
Und so brauchen wir uns nicht verrückt zu machen, was die Zeiten auch mit sich bringen werden, wir können uns an diesem uralten, biblischen Ritual festhalten und Kraft tanken.
Ein Gotteserlebnis können wir hier dennoch nicht erzwingen. Wir können aber unseren Beitrag für einen bereichernden Gottesdienst machen: die Liturgie aus vollem Herzen mitfeiern und sich füreinander öffnen. Nicht das Überirdische erwarten und bitte auch nicht irgendwelche unwichtigen Fehler suchen.
Wenn uns das gelingt, dann könnte uns der eine oder andere Gottesdienst nicht nur durch die folgende Woche, sondern auch durch so manche Krise tragen. Das schenke Gott uns allen.