Predigt für den 12. Juli 2020

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1 Es begab sich aber, als sich die Menge zu Jesus drängte, um das Wort Gottes zu hören, da stand er am See Genezareth 2 und sah zwei Boote am Ufer liegen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. 3 Da stieg er in eines der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus. 4 Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus! 5 Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen. 6 Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische und ihre Netze begannen zu reißen. 7 Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, sodass sie fast sanken. 8 Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. 9 Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang, den sie miteinander getan hatten, 10 ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gefährten. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. 11 Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Liebe Gemeinde,
heute riecht es im Predigttext nach Fischen, nach würziger See, das erinnert an Urlaubsstimmung. Aber das täuscht. Wer genau hinhört, der sieht hinter der vermeintlichen Urlaubsidylle noch viel mehr. Dort am See Genezareth, da riecht es auch nach Arbeit, nach Männerschweiß, Angstschweiß.

Eine Depression liegt über dem Fischerdorf. Petrus fasst sie in Worte: „Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen“. Eine frustrierende Erfahrung! Die ganze Nacht gearbeitet und doch stehen sie mit leeren Händen da. Schnell wird in solchen Situationen nach den Schuldigen gesucht. Wer ist Schuld? War es der falsche Ort, die falsche Zeit? Oder war es einfach nur Pech trotz jahrelanger Erfahrung und vollem Einsatz? Die Fischer werden sich auch gefragt haben, was ihre Familien sagen werden, wenn sie nichts nach Hause bringen? Und was sie selbst dann ihren Familien sagen werden.

Was sagt man seinem Partner, wenn der Betrieb schließen musste? Was sagt man seinen Kindern, wenn man die Arbeit verloren hat? Diese Fragen gibt es auch in unserer Welt. Wir sind keine Fischer, aber Flauten wie jetzt durch Corona in manchen Branchen gibt es auch in unserem Leben.

Es gibt Konjunkturflauten in der Weltwirtschaft. Dazu kommt, dass die Rohstoff-Meere bald leer gefischt sind. Fette Fische, fette Jahre sind vorerst nicht mehr in Sicht. Weltweit stellt man sich auf schlechtere Zeiten ein. Die Frage nach der Schuld hilft dann nicht weiter. Das Boot kommt nur miteinander wieder in Fahrt. Unternehmer und Arbeitnehmer dürfen sich da nicht gegeneinander aufbringen lassen. Wir sitzen alle im gleichen Boot.
Unsere Netze werden in Zukunft nicht mehr so voll sein. Aber ganz leer wie bei den Fischern am See Genezareth, für die der Fisch auch die eigene Ernährung sicherte, bleiben sie sicher nicht.

Die Älteren unter uns sehen der Krise am gelassensten entgegen. Und das nicht, weil sie rein statistisch nicht mehr so lange leben werden wie die Jugend. Nein, sondern, weil sie bereits ganz andere Zeiten erlebt haben. Auf Hausbesuchen wird mir immer wieder von der kargen und bitterarmen Nachkriegszeit erzählt. Arbeit gab es damals genug. Geld hatte man damals trotzdem eher wenig. Die Menschen haben trotzdem nicht lange nachgedacht, sie haben die Kriegstrümmer angepackt und Deutschland aufgebaut.

Spuckt in die Hände, fahrt hinaus, wo es tief ist, sagt auch Jesus, und werft eure Netze aus. Aus der Sicht eines Fischers am See Genezareth eine völlig unsinnige Aufforderung. Fische fängt man dort nachts. Und doch sagt Petrus: Auf dein Wort, Meister, will ich die Netze auswerfen. Und sie fahren hinaus. Trotz seiner langjährigen Erfahrung als Fischer, trotz der frustrierenden Erfahrung der vergangenen Nacht fährt Petrus hinaus, versucht es. Das allein ist schon ein großer Schritt. Es ist schwer den Frust zu überwinden, das eigene Scheitern, die Selbstzweifel zurückzulassen, die Frage nach der Schuld und den Schuldigen zurückzulassen, es noch einmal zu versuchen, wieder hinauszufahren. Petrus und seine Kollegen wagen es. Sie überwinden die quälende Frage: Was bleibt, wenn es wieder schief geht? Sie vertrauen einfach mal und machen, was sie noch nie getan haben. Und dann … dann machten sie den Fang ihres Lebens!

Ich weiß nicht, was sie damals gefangen haben. Haben sie wirkliche Fische gefangen? Oder haben sie vielleicht statt mit ihren Händen etwas mit ihren Herzen gefangen? Haben sie vielleicht erlebt, dass es mehr im Leben gibt, als das bloße Überleben. Das Leben mehr ist als Arbeit, Arbeit, Arbeit. Haben sie vielleicht erkannt, dass sie reich beschenkt sind, auch an Tagen, wo das Netz einmal leer bleibt?

Angesichts des überwältigenden Erfolgs erkennt Petrus: Ich bin ein sündiger Mensch. Das heißt nicht, dass er etwas besonders schlimmes getan hat. Er erkennt lediglich seine Grenzen, seine eigene Begrenztheit. Der Misserfolg, seine Selbstzweifel stehen ihm plötzlich deutlich vor Augen. Aber sie behalten nicht das letzte Wort.

Fürchte dich nicht, sagt Jesus zu ihm. Fürchte dich nicht. Und Petrus erkennt: Mein Leben liegt nicht allein in meiner Hand. Mein Wert liegt nicht daran, was ich alles schaffe, verdiene oder habe. Petrus entdeckt sein Leben in Gottes Hand.

 Diese Geschichte vom wunderbaren Fischfang zeigt uns: wo die eigenen Hände leer sind, reicht Gott uns die Hand. Unsere Hände sind voller als geglaubt. Es ist eine Geschichte, die Mut machen will. Mut für Zeiten der Flaute.

Diese Geschichte liefert keine Patentrezepte, wie sie jetzt von vielen verkauft werden. Eine gute Zukunft ist nicht nur Resultat einer neuen, erfolgreichen Strategie, neuer Erkenntnisse, kompetenten Handelns, auch nicht von Hartnäckigkeit. Eine gute Zukunft liegt nicht allein in unserer Hand. Eine gute Zukunft ist Gnade, ist Geschenk Gottes. Ist leider nicht verfügbar.

Aber bis heute gilt uns als Kirche, als Gemeinden diese Aufforderung Jesu: Fürchtet euch nicht. Fahrt los und fischt. Es gibt etwas zu finden, zu entdecken, gerade auch in den Zeiten der Flaute. Heute wie damals wird sich diese Aufforderung Jesu durchsetzen gegen leere Hände und frustrierende Erfahrungen, gegen fehlende Finanzen und Angst vor der Zukunft, gegen Trauer um Liebgewordenes und Gewohntes.


Wir leben aus der Gnade, aus der Fülle die Gott schenkt. Davon erzählt diese Geschichte. Daran erinnert sie. Das ist der Grund unseres Lebens. Und darum gilt uns wie Petrus, egal welches Wetter aufzieht, immer wieder der Auftrag Jesu: Fahrt hinaus, wo es tief ist und werft eure Netze aus.