Predigt für den 19. April 2020

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Quasimodogeniti „Nach der Weise der Kinder“

Evangelium: Joh 20, 19-29; Wochenpsalm 116, Wochenlied EG 108: mit Freuden zart zu dieser Fahrt, oder EG 117: Der schöne Ostertag, Wochenspruch: „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“ | 1Petr 1,3

Gemeinsam Sehen lernen, was sonst übersehen werden kann

Predigttext: Jesaja 40, 26-31 (eigene Übersetzung, unterscheidet sich stark von der Lutherbibel 2017)

26Erhebt euren Augen und seht, wer hat diese geschaffen, zeigt ihnen ihre Fülle und nennt jedes darin bei seinem Namen; unter der Menge der Trauernden und Tapferen fehlt nicht einer. 27Warum sagst du, Jakob, und sprichst du, Israel: mein Weg ist von dem Herrn verdeckt, an meinem Gott geht mein Recht vorüber? 28Weißt du (es denn) nicht, auch wenn du (es) nicht (selbst) vernimmst: Der Gott der Welt (, die wir nicht voll erfassen,) ist der Herr (allein), der die Enden der Erde erschaffen hat; er wird nicht müde und nicht matt, seine Unterscheidungen sind nicht begründbar. 29(Darin) gibt er dem Müden Kraft und reicht demjenigen, die noch nicht mal mehr trauern können, Halt über Halt dar. 30Müde und matt werden Jünglinge und junge Männer fallen hin, 31aber die, die auf den Herrn hoffen, legen die (eigene) Kraft ab, bilden (dadurch) Flügel wie Adler aus, laufen und ermatten nicht, gehen und ermüden nicht.

Liebe Gemeinde,

der Prophet spricht nicht zum Einzelnen, sondern zur Öffentlichkeit. „Hebt Euren Blick und schaut“. Dies gilt nicht nur für den Vers 26, sondern auch ab Vers 27, wo rein grammatikalisch der Singular steht. „Jakob“ und „Israel“, damit sind Gemeinschaften gemeint, nicht Individuen.

Seit einigen Jahrzehnten wurde die Religion privatisiert. Der Glaube unter Ausschluss des Nächsten war und ist das Leitbild. Allein und für sich droht das Individuum um sich selbst zu kreisen und einsam zu werden. Ohne den Nächsten allein und für sich mit vermeintlich Gott.

Der Sonntag heißt „Nach der Art und Weise der Kinder“. Kinder werden geboren. Eltern und Großeltern zeigen den Kindern die Welt. „Schau mal dahin oder dahin …“ oder „Schau noch mal hin …“. Freunde sprechen ebenfalls so zueinander. Im Sehen sind sie nicht allein.

Das sind liebevolle Sätze. Sollte sich durch irgendetwas der Blick gesenkt haben, wird er aufgerichtet. Ermüdete werden gestärkt, und Matte erhalten neue Kraft; die Kraft des Nächsten. Mit solchen Worten werden Kinder und Erwachsene wieder in eine Gemeinschaft genommen.

Religion ist ohne den Nächsten, der manchmal herausfordernd, ja auch störend sein kann, nicht zu haben. Religiosität kann ohne den Nächsten ganz bei sich bleiben. Glaube kann das nicht. Denn es ist Gott, der uns durch den Nächsten weckt. Er ist uns (auf-)gegeben.

Wer könnte uns lehren, Gott auch im Unrecht oder Unglück zu erfahren, wenn unser Nächster nicht da wäre, der ihn auch dann bezeugt, wenn wir aufgebracht sind oder weder ein noch aus wissen? Ganz ohne Überzeugung tut es der Nächste, oft ohne es selbst zu wissen.

Pfr. Dr. Urs Espeel