Predigt für den 21. Juni 2020

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Liebe Gemeinde,

„unter jedem Dach ein Ach“, sagt uns ein Sprichwort. Das ist auch meine Erfahrung als Pfarrer. In jedem Haus gibt es etwas, das auf den Schultern drückt: körperliche Probleme, Traurigkeit, Zukunftsängste, Mobbing, Einsamkeit, Perfektionismus, Sinnlosigkeit, Leistungsdruck und manch anders. Unser Leben ist genau betrachtet nur punktuell, wenn überhaupt ganz sorgenfrei.

Wenn etwas auf den Schultern drückt, dann brauchen wir Entlastung. Manche Menschen suchen genau deshalb eine Kirche wie unsere auf. Hier können Sie zur Ruhe kommen und neue Kraft tanken.

Zur Ruhe zu kommen, das scheint vielen Menschen ein Anliegen zu sein. Jedenfalls gibt es von vielen Anbietern Angebote, die das versprechen. Die Tourismusbranche wirbt damit, dass man oben auf dem Berg oder am See zur Ruhe kommen könnte. Aber je nach Witterung und Feiertag kann man dort auch das komplette Gegenteil vorfinden. Auch die Musikbranche verspricht uns Entspannung vom Stress und bietet uns von beruhigender klassischer Musik über romantische Melodien bis zu sphärischen Klängen ein buntes Programm. Aber wirkliche Ruhe hat man erst, wenn man mal abschaltet. Einfach mal Abschalten, in der Jugendsprache nennt man das „chillen“. Aber statt wirklich einmal herunterzufahren, sieht man Jugendliche im Chillout-Raum ehe wild auf ihr Smartphone tippen.

Es ist gar nicht so einfach zur Ruhe zu kommen. Manches, was scheinbar Ruhe verspricht, wühlt uns eher auf. Manche Menschen haben zu viel Ruhe und sehnen sich eher nach einem Erlebnis. Ruhe an sich ist gar nicht immer erstrebenswert. Wer rastet, der rostet heißt es so schön. Aber eben auch: In der Ruhe liegt die Kraft.

Heute lädt uns Jesus zur Ruhe ein und gleichzeitig will er uns beleben:

28 Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Liebe Gemeinde,

Kommt her“, lädt Jesus ein „alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. „Erquicken“ – das ist ein in die Jahre gekommenes Wort, das in unserer heutigen Sprache gar nicht mehr vorkommt. „Erquicken“ heißt eigentlich: „lebendig machen, frisch machen; beleben“. Wenn jemand einen Unfall unbeschadet überstanden hat, dann sagen wir, dass er Gott sei Dank „quicklebendig“ ist. Er ist lebendig und noch ein bisschen mehr. Er spürt das Leben jetzt ganz neu, noch intensiver.
Kommt her, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

Aber Achtung: Jesus ist keine gute Fee, die unsere Lasten einfach wegzaubert. „Kommt her“, das heißt, dass wir nicht nur darauf warten sollen, dass uns jemand hilft. Das heißt, dass auch wir selbst etwas tun müssen, um neu belebt zu werden. Konkret dann sagt Jesus: „nehmt auf euch mein Joch“.

Auch „Joch“ ist heute ein erklärungsbedürftiges Wort. Im Voralpenland denkt man beim Wort Joch zuerst an die niedrigste Stelle eines Gebirgskamms. Wer auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, kennt aber auch noch das Joch, das schon in biblischer Zeit und noch vor hundert Jahren Zugtiere aufgespannt bekommen, um einen Wagen oder einen Pflug zu ziehen. Ich kann mir vorstellen, dass so ein Joch für einen Ochsen eine ziemliche Last war. Wenn der Bauern ihn am Morgen in das Joch einspannte, dann wusste er: heute wird ein anstrengender Tag.
Ein Joch ist nichts, was man sich als Ochse gerne auflegen lässt. Doch Jesus sagt: Nehmt auf euch mein Joch!

Gerade noch hat Jesus Entlastung versprochen und im nächsten Satz will er uns eine Last auflegen. Wie passt das zusammen?

Um das zu verstehen müssen wir uns das Joch noch genauer betrachten. Das Joch drückt auf den Schultern, aber es ist gleichzeitig eine geniale Hilfe um Lasten bewegen zu können. Ohne so ein Joch wäre es noch viel beschwerlicher eine Last wegzuschaffen.

Außerdem ist Joch nicht gleich Joch. Ein Joch konnte an der Unterseite auch gepolstert sein, damit es nicht ganz so hart drückt. Mein Joch ist sanft, sagt Jesus und meine Last ist leicht.

Was meint Jesus überhaupt mit Joch? Um das zu verstehen, müssen wir wissen, dass die Menschen zurzeit von Jesus die Tora, also das Gesetz ein Joch nannten.

Viele Menschen empfanden die strenge Toraauslegung damals als Last. Durch die Einhaltung der 613 Gebote wurde das Leben immer komplizierter. Heute noch haben wir fast Mitleid, wenn wir sehen, wie strenggläubige Juden mit der Sabbateinhaltung kämpfen. Am Rabbinerseminaren wird heute noch manchmal darüber diskutiert, was zu tun ist, wenn am Sabbat der Wecker klingelt. Darf man den jetzt ausschalten oder nicht?

Jesus kritisierte seinerzeit die Gesetzeslehrer mit den Worten: „Ihr ladet den Menschen Lasten auf, die sie nicht tragen können“ (Mt 23,4,).

Jesus selbst legte die Tora viel menschlicher aus. Ihm geht es nicht um den Buchstaben, sondern um den Geist der Gesetze. Er sagte zum Beispiel der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat. Die Toraauslegung von Jesus ist also durchaus sanfter und eine leichte Last verglichen mit dem vielen Regeln, die die Pharisäer damals aufstellten.

Die Gebote Gottes sollen laut Jesus keine Last, sondern eine Hilfe sein, um das Leben zu meistern. Genauso, wie ein Joch auf den ersten Blick eine zusätzliche Last ist, letztlich aber hilft Lasten wegzuschaffen und voranzukommen.

Jesus war offenbar kein frommer Träumer, sondern ein Realist. Er wusste: Die Lasten des Lebens kann man nicht einfach weg reden und auch nicht mit einem schönen Gebet allein von der Schulter nehmen. Stattdessen plädiert er für die Gebote Gottes. Sie machen uns manchmal wie ein Joch das Leben schwer:

Es wäre doch viel bequemer sich etwas vom Reichtum anderer zu nehmen statt zu schuften. Es wäre doch viel schöner mehr als eine Frau zu haben. Es wäre doch viel einfacher die alten Eltern sich selbst zu überlassen, statt sich um sie zu kümmern.

Die Gebote sind manchmal wie ein schweres Joch. Und doch helfen Sie uns das Leben für uns alle leichter zu machen, es in Ordnung zu halten.

Jesu Rezept für ein gutes Leben sind also die Gebote Gottes: Nächstenliebe, Selbstliebe, Ehrlichkeit, Demut, Respekt voreinander, Schutz des Lebens oder Achtung des Eigentums anderer. All das und noch mehr steckt allein in den 10 Geboten.

Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, sagt Jesus. Wir sind unseren Lebenslasten nicht hoffnungslos ausgeliefert. Jesus lässt uns nicht allein mit ihnen. Er zeigt uns einen Weg, der nicht immer einfach ist. Der aber zum Ziel führt. Amen