Predigt für den 25. Oktober 2020

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Liebe Gemeinde,

heute gibt es eine Sonntagspredigt. Bevor mir die ersten entgegnen, dass es das jeden Sonntag in der Kirche gibt, ergänze ich noch: eine Predigt über den Sonntag.

Unseren Sonntag haben wir bekanntlich dem Judentum zu verdanken, auch wenn Juden bis heute nicht den Sonntag, sondern den Schabbat, also unsere Samstag als Ruhetag haben. Gleich in der allerersten biblischen Geschichte, der Erzählung von der Erschaffung der Welt, ist von der Erfindung des Sabbats die Rede. Nach 6 Schöpfungstagen ruhte Gott und so soll es auch der Mensch machen.

Aber ausgerechnet Jesus hält sich heute nicht daran – zumindest in den Augen der Pharisäer. Dabei hat Jesus einige der 10 Gebote sogar noch deutlich verschärft nach dem Motto: Euch ist gesagt, ich aber sage euch. Nur mit dem Sabbatgebot geht er ganz locker um. Heilt Menschen am Sabbat oder erntet Ähren am Sabbat.

Hören wir hinein in den Predigttext aus dem 2. Kapitel des Markusevangeliums:

23 Es begab sich, dass Jesus am Sabbat durch die Kornfelder ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.

24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist? 25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, da er Mangel hatte und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren:

26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren? 27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

28 So ist der Menschensohn HERR auch über den Sabbat.

Liebe Gemeinde,
wenn ich im Religionsunterricht die 10. Gebote abfragen, dann wird am häufigsten das Gebot: „Du sollst den Feiertag heiligen“ vergessen. Woran liegt das? Ist dieses Gebot für die Kinder zu abstrakt, weil der Sonntag verglichen mit dem Samstag oder den Ferientagen gar nicht mehr so besonders ist?

Oder liegt es am Wort „heiligen“ mit dem Kinder, aber auch viele Erwachsene, nicht viel anfangen können. Deshalb lernen die Kinder in der Grundschule heutzutage oft nicht mehr die Lutherformulierung, sondern eine kindgerechtere Formulierung der 10. Gebote. Statt „du sollst den Feiertag einhalten“, heißt es dann: „du sollst den Ruhetag einhalten“.

Aber sind das nicht zwei verschiedene Dinge: den Tag heiligen und ruhen? Auch in unserem Grundgesetz wird hier unterschieden. In Artikel 140 unseres Grundgesetz heißt es: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“

Ist der Sonntag als Ruhetag also treffender bezeichnet? Erleben Kinder und ihre Eltern den Sonntag als Ruhetag? Oder ist ihnen das genauso fremd wie ein Tag zur „seelischen Erhebung“.

Tatsächlich verliert unserer Sonntag schleichend immer mehr seinen Charakter als Ruhetag. Viele nutzen den Tag zum Ausschlafen. Aber dann geht es los. Dank Home Office wird am Sonntag immer mehr gearbeitet. Immerhin müssen Kinder und Jugendliche nicht zur Schule. Aber für die Schule etwas zu lernen, machen die meisten trotzdem. Gerne wird der Sonntag auch für Hausarbeiten genutzt.

In Zeiten von Internetshopping ist auch das Einkaufen am Sonntag völlig normal geworden. Sonntags wird dort doppelt so viel wie werktags eingekauft. Was gab es doch für Diskussionen, als einige Bäckereien auch am Sonntagmorgen öffnen wollten. „Ohne Sonntag gibt es nur Werktage“, war das Motto einer guten kirchlichen Aktion. Mittlerweile holen auch Leute mit diesem Aufkleber auf dem Auto am Sonntagmorgen ihre Frühstückssemmeln frisch beim Bäcker.

Ein Ruhetag ist der Sonntag aber v.a. deshalb nicht, weil es bei uns der Ausflugstag ist. Bei schönem Wetter zieht eine Blechlawine am Morgen nach Süden in die Berge und am Abend wieder zurück, ganz egal ob Sommer oder Winter. Wer am Sonntag an der Straße zu einem Ausflugsziel wohnt, kann von Ruhe nur träumen.

Ich hoffe ich werde jetzt nicht als Moralapostel missverstanden. Ich versuche nur zu beschreiben, was ich sonntags erlebe. Eigentlich bin ich ganz froh, dass der Sonntag aus der fast schon pharisäischen Strenge herausgeholt wurde, mit der auch ich ihn als Kind noch erlebt habe.

Doch als Sonntagsarbeiter muss gerade auch ich persönlich mir überlegen, was der Sonntag eigentlich sein soll. Das Bedürfnis nach Ruhe und seelischer Erbauung am Sonntag, das vom Grundgesetz zu Recht geschützt wird, wird auch von Kirchenmitgliedern mehr gutgeheißen als gelebt. Sonst wären die Kirchen voller und die Freizeitparks leerer.

Was heißt es den Sonntag zu heiligen? Es ist gar nicht so leicht diese Frage zu beantworten. Wir wollen keine superstrenge Auslegung dieses Gebotes, so dass wir wie ultraorthodoxe Juden am Ende nur noch mit der Frage beschäftigt sind, was jetzt erlaubt ist und was nicht.  Aber es wäre auch schlimm, wenn wir den Sonntag als besonderen Tag immer mehr verlieren.

Was darf, was soll ich am Sonntag und was nicht? Als Pfarrer im Jahr 2020 werde ich mich hüten dazu konkrete Anweisungen zu geben. Ein Kollege vor 60 Jahren hätte das wahrscheinlich ganz anders gehandhabt. Ansichten und Traditionen verändern sich. Das ist völlig normal und okay. Unser Sonntag hat nicht die gleiche Bedeutung wie damals, als Kaiser Konstantin ihn 321 zum Feiertag im ganzen römischen Reich gemacht hat. Auch in Zukunft wird sich unser Sonntag weiter verändern.

Wichtig ist, dass der Sonntag weiter für die Menschen da ist. Ich darf auch als Christ am Sonntag im Rahmen der Gesetze alles machen was ich will. Aber hüten wir uns davor den Sonntag als besonderen Tag zu bewahren. Denn dass es auch ganz ohne einen Sonntag geht, zeigen uns viele asiatische Länder. Dort wird einfach durchgearbeitet. Es gibt zwar Feiertage, aber keinen Wochenrhythmus.

Der Sonntag ist für den Menschen da. Jesus lässt da völlig offen, wofür genau: zum Beten, zum Feiern, zum Ausruhen?

Wir sind heutzutage frei diesen Tag zu gestalten, denn wir sind einmal in der Woche frei davon unseren Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Der Sonntag ist ein „Tag der Freiheit“. So ein Tag der Freiheit tut uns gut und da spielt es auch gar keine Rolle, ob es ein Sonntag ist oder wie in meinem Fall ein andrer Tag.

Wir haben einmal in der Woche frei! Das ist ein Segen und gleichzeitig eine große Herausforderung. Denn Freiheit ist oft nicht leicht. Freiheit bringt Verantwortung mit sich. Wir müssen selbst entscheiden, wie wir diesen Tag gestalten. Es ist gar nicht so leicht zwischen Langeweile und Ausflugsstress die richtige Mitte zu finden. Die einen fühlen sich genervt von ihrer Familie, andere fühlen sich an diesem Tag teils einsam.

Konfis sagen, da muss ich in den Gottesdienst. Aber letztlich sind wir an diesem Tag frei, so dass wir gemeinsam Gottesdienst feiern können. Vielleicht müssen wir das im Kopf mal so betrachten, um den Gottesdienst richtig wertzuschätzen.

Der Sonntag ist ein Tag der Freiheit und dennochsind wir eingebunden in die Traditionen unserer Kultur, in die Abläufe unserer Familie, in die Verheißung des Wetterberichts und nicht zuletzt in den Inhalt unseres Geldbeutels.

Auch die Freiheit hat einen Rahmen. V.a. den Rahmen der Liebe. Darum geht es in unserem ganzen Leben und auch deshalb auch am Sonntag zu allererst. Die Liebe ist das höchste Gut! Bei der Frage: „Wie gestalte ich meinen Sonntag? Was darf ich? Was will ich? Was soll ich?“, ist die Liebe das Allerwichtigste.

Liebe Gemeinde,
ich habe uns eine Sonntagspredigt versprochen. Dieses Wort wird auch in Bezug auf Reden ohne Wirkung auf den Montag gebraucht. Wie auch immer wir unseren Sonntag verbringen werden: mit einem Spaziergang, mit einem schönen Buch oder eben mit einem Gottesdienstbesuch, wichtig ist, dass die Liebe dabei ist. Die Liebe zu uns selbst, zur Natur, zu unseren Mitmenschen zu Gott. Wenn uns das gelingt, dann hat der heutige Tag, der Tag der Freiheit, auch noch über sich hinaus eine großartige Wirkung.

 „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ AMEN