Predigt für den 4. Advent

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Liebe Gottesdienstgemeinde,                                                    

heute, 20. Dezember, 4. Advent. In vier Tagen ist Weihnachtsabend.

Vieles ist in diesem Jahr ganz anders. Die überfüllten Kirchen waren

mal . Die Familienchristvespern am Hl. Abend werden hier  in Kochel vor

der Kirche, und droben in Walchensee  im Kirchgarten  stattfinden.

In Lenggries gibt es nur eine begrenzte Teilnehmerzahl, und die 5

Gottesdienste in Bad Tölz finden vor der Kirche oder auch im Kurpark

statt.  Und keiner weiß, ob es regnet, oder schneit, oder ganz einfach nur

kalt oder ungemütlich ist.

Die Nähe zu anderen ist untersagt. Die Weihnachtslieder werden im

Freien wohl noch schwerer gesungen werden können. Die Masken sind

Pflicht.   Ob sich die vertraute Weihnachtsstimmung einstellen wird?

Diesmal so ganz anders dies alles. Und wir sind gefragt, wie wir damit

umgehen werden. Wie wir uns, bei völlig veränderten Voraussetzungen

einstellen  wollen und können auf die Adventsbotschaft:  Gott kommt.

Denn darum geht’s doch.

Meine Lieben, es geht nach wie vor um die Weihnachtsgeschichte aus

dem Lukasevangelium.

Sie kann kleine Kinder verzaubern, aber auch erwachsene Menschen

in ihren Bann ziehen. Die Botschaft: „Gott wird Mensch, wird einer von

uns“  kann etwas in uns anrühren.  Etwas, das mich in der Tiefe 

meiner Seele erreicht, das, was mich unbedingt angeht.

Dazu braucht es nicht vieler Worte.                                            -2-

Vielleicht kennen Sie Josef Fendl, den niederbayrisch- oberpfälzer Mund

und Heimatdichter, der hat dies mit seinen Worten einmal so ausgedrückt:

         Wennst alle Wörter zählst

die fürs Weihnachtsevangelium                                                                                                                                                                                                                                    baucht wordn san,

kimmst auf net amoi 250.

Neulich hab i glesen

dass a EG- Verordnung

über den Import von Karamell-Bonbons

aus mehr als 25.000 Wörtern besteht…

         Gell, da schaughst!

Was für eine Wirkungsgeschichte dieser wenigen Worte aus dem Lukas-

Evangelium. Was für eine Tiefe der Empfindung, was für eine Höhe des

Lobpreises Gottes, welche Weite für den Erdkreis und welche Nähe

zu jedem, der sie vernimmt: Es ist   d a s   K i n d.

Nicht irgendeines. Aber dieses eine rührt mich an.  Erinnert mich an

meine Ur- Erfahrungen, an eine geheimnisvolle  Ur- Bewahrung im

Mutterleib.       Rührt auch an meine ersten Kindheitserfahrungen.

Damals, als die Welt noch in Ordnung war. Bis ich dann größer wurde,

und merkte, dass die Welt eben nicht heil ist,  auch ich selber nicht,

dass auch im eigenen Leben Brüche und Ungereimtheiten vorkommen.

Und es bleibt eine Sehnsucht. Die Sehnsucht, dass ich gefunden werde

von Gott, der sich auf den Weg gemacht hat, der ankommen möchte bei

mir. Dass Advent wird.

Lassen Sie mich dieses Mysterium von der Ankunft und Nähe Gottes

versuchen zu beschreiben anhand einer Beobachtung, die ich in -3-

Ägypten machte.         Etwa 30 km südlich von Gizeh steht die berühmte

Stufenpyramide von Sakkara, erbaut  von Imhotep, dem Arzt und

Architekten, für seinen König, dem Pharao Djoser ( 3. Jhtd. vor Chr.)

An der Nordseite der Pyramide ist eine kleine Kammer, ein Serdab,

angebracht. Und darin befand sich eine lebensgroße Statue des Pharao

Djoser, aus Kalkstein gefertigt, den Herrscher auf einem Thron sitzend

dargestellt. Und an der Nordseite der Kammer befinden sich 2 Löcher.

Und wenn nun die Touristen dort hinkamen, wollten sie, wollten wir durch

die Löcher nach innen schauen, um das Bild des Königs zu sehen.

Doch die Absicht des Architekten Imhotep war eine ganz andere:

Die Löcher sind angefertigt worden, damit der Pharao durch sie nach

außen sehen kann, die Menschen bei ihren auf dem Hof durchgeführten

Ritualen beobachten kann, und um ihnen so nahe zu sein.

Und nun zu uns, in diesen Tagen der Vorbereitung auf Weihnachten.

Advent, ( oder griechisch : Epiphanie) es meinte ursprünglich die Ankunft

eines Königs, oder Kaisers, oder auch die Ankunft der Gottheit im

Tempel. Und die Christen übernahmen diese Bezeichnung, um ihre

besondere Beziehung zu Jesus Christus, zu seinem Kommen  

auszudrücken.

In der alten Kirche war Adventszeit eine Fastenzeit. Es durfte nicht

getanzt noch gefeiert werden. Auch feierliche Hochzeiten  fanden           

keine statt. Die heutige Form der Adventszeit mit 4 Sonntagen         -4-

geht auf das 7. Jahrhundert zurück. Und der Adventskranz ist gerade  

mal gut 180 Jahre alt.

Unsere Advents-und dann auch Weihnachtsrituale, sie ändern sich im

Laufe der Jahre.   So auch in diesem Jahr.

Wir meinten, Advent und Weihnachten feiern zu können wie bisher.

Der Kranz, der Baum, das Kind in der Krippe, das Weihnachtsoratorium

von J.S. Bach, die Geschenke, die Besuche und manches andere.

So wie einst  der Pharao Djoser, wirft Gott einen Blick auf uns, bemerkt,

was wir denn jetzt so treiben, wie es uns so geht, wie wir leben mit

unseren Möglichkeiten und Un-Möglichkeiten, mit unseren

Schwierigkeiten und  Sehnsüchten nach erfülltem Leben, die Schüler,

die Eltern, die Kranken, der Einzelhandel, die Reiseunternehmen.

Und anders als der Pharao ging und geht Gott immer wieder heraus aus

seiner  Kammer, und lässt es uns wissen und ausrichten  durch seine

Boten:  Euch ist der Heiland geboren, Christus, der Herr.

Oder noch deutlicher: Für Dich ist der Heiland geboren.

Gott hat seine Nähe und Liebe  Hand und Fuß werden lassen

in Jesus, dem Christus.                                                                                   

So ist er da. Gibt seinen Frieden, sein Schalom. Gibt uns eine

Perspektive zu erfülltem, gelingendem Leben.                          -5-

Die Aufmerksamkeit der Engel Gottes erreichte damals die Hirten,

Menschen zweiter Klasse, die am Rande der Gesellschaft.

Ihnen ist große Freude zuteil geworden, als sie das Kind fanden.

Sie beteten es an.

Damals erwählte Gott Maria. Sie hat sich offen gehalten für Gott, war

bereit, sich auf den Weg einzulassen, von dem sie nicht wusste, wo er

hingeht. Und als sie das Kind in den Armen hält, kann sie singen:

„Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines

Heilandes.“

Damals machten sich die Weisen auf den Weg. Ausländer sind es.

Vertreter der Kontinente Europas, Asiens und Afrikas. Als Magier, als

Wissende beugen sie ihre Knie vor der größeren Weisheit des göttlichen

Kindes. Sie geben her, was sie haben, und so werden sie frei, in

Empfang zu nehmen die Erkenntnis des großen Gottes im Kind.

So damals. Und heute?  Erreicht uns das Geheimnis und das Wunder

dieser Geburt?  „Gottes Sohn, o wie lacht Lieb aus deinem göttlichen

Mund.“            Und lächelnd höre ich das Kind zu mir sagen:

„Ich hab dich lieb.

Ich suche dich, um dich zu begleiten.

Ich gebe dich nicht auf, auch wenn du dich manches Mal selbst

aufgeben  möchtest.

Ich will deine Ängste erträglicher und deine Dunkelheiten            -6-                    

heller machen.

Auch wenn du nichts Liebenswertes an dir hast, ich mache dich

liebenswürdig.

Auch wenn sonst niemand etwas von dir hält, ich halte zu dir.

Auch wenn dein Name sonst nirgends genannt wird. Ich habe dich bei

deinem Namen gerufen: Du bist mein.

Auch wenn du mir nichts geben kannst.      Ich gebe dir mein Leben.

Und wenn du dich sorgst um deine Zukunft.     Ich habe Zukunft, und

schenke dir Zukunft.   Mit einem Wort: Ich liebe dich.“

Liebe Gottesdienstgemeinde,

heute ist 4. Advent. In vier Tagen feiern wir Weihnachten.

Auch wenn vieles ganz anders sein wird: Das Eine bleibt unumstößlich:

Gott ist unterwegs zu Dir. Das ist Advent. Das ist Weihnachten.

Du hast Grund zu feiern, zuversichtlich und fröhlich zu sein.                                                 

Amen.

Ludwig Scherer, Bad Tölz

Pfarrer im Ruhestand

Gottesdienst am 4. Advent 2020

in Kochel / See