Über den Kirchturm hinaus

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Ich glaube an die unheilige Kirche

Wie kann man heute noch Pfarrer sein? Diese Frage bekommt man im Pfarrberuf vermutlich häufiger gestellt als in anderen Berufen. Vor allem in diesen Tagen, da sich die negativen Schlagzeilen auftürmen und Kirchenaustritte neue Höchststände erreichen.

Der Pfarrberuf ist speziell. Man ist für das ganze Leben zuständig. Es gibt keine klaren Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und auch nicht zwischen Berufsrolle und der eigenen Persönlichkeit.

Warum bin ich also Pfarrer geworden? Arzt, Polizist, Artist oder Landwirt wäre es in meinem Fall auch fast geworden. Am Ende bin ich Pfarrer geworden, aber nicht weil ich damals vor 20 Jahren die Kirche so toll fand. Schon damals erschien mir die Kirche reformbedürftig. Und doch hatte ich den Glauben nach dem frühen Tod meiner Mutter als ungemein wohltuend erlebt. Den wollte ich leben und so der Kirche neues Leben einhauchen.

Längst habe ich erkannt: ich bin kein neuer Martin Luther. Auch ich rede mehr als ich möchte und tue viel zu wenig. Auch ich mache Fehler, auch wenn natürlich nicht so abscheuliche Straftaten wie sie in der Presse stehen. Und zum Glück auch nicht so medienwirksam wie der bayrische Ruhestands-Papst mit seiner Falschaussage. Als er gewählt wurde, war die Schlagzeile der auflagenstärksten deutschen Zeitung „Wir sind Papst“. Dann müsste die Schlagzeile jetzt eigentlich ein Bibelzitat sein: „wir sind alle Sünder“. Missbrauch gibt es im Sportverein und in Schulen, v.a. im familiären Umfeld. Natürlich gibt es das auch in der Kirche. Aber so viele Fehler beim Aufarbeiten von sexuellen Missbrauch? Das ist schon mehr als peinlich. Das lässt sich nicht erklären und wohl auch nicht mit bloßen Worten entschuldigen. Die Kirche steht für das Gute, deshalb ist es noch viel schlimmer, wenn hier Fehler passieren. Und doch menschelt es in der Kirche, auch in meiner evangelischen und weit darüber hinaus.

Wie also mag man da noch Pfarrer sein? Vielleicht gerade deshalb, weil es überall im Leben Opfer gibt und Gottes Bodenpersonal für sie da sein muss. Es sollte jetzt und eigentlich nie um die Kirche an sich gehen. Sie ist eine göttliche Idee und doch eine menschliche Institution. Irgendwo heilig und unheilig zugleich. Sie verliert in diesen Tagen gewaltig an Bedeutung, aber das muss uns überhaupt nicht kümmern. Kümmern sollten wir uns um die die Verletzten, um die Schwachen. Für sie sollten wir da sein, egal ob Pfarrer oder nicht. Das ist es, was Jesus gemacht hat und was Christinnen und Christen zu allen Zeiten tun sollten. Darum gibt es die Kirche und darum bin ich Pfarrer und werde es bleiben, auch wenn der Kirchturm umfällt.