Kirchenasyl – das Recht der Fremden – die Pflicht der christlichen Gemeinde
Am frühen Freitagabend am 6. Oktober fanden rund 20 ganz unterschiedliche Menschen ihren Weg in die Johanneskirche. Der Anlass war ein Vortrag über Kirchenasyl von Pf. Urs Espeel. Ein scheinbar umstrittenes Thema, dem man aber gelassen begegnen könnte. Diese Gelassenheit zeigt Herr Espeel in drei Abschnitten auf: dem geschichtlichen Hintergrund des Kirchenasyl mit dem sich schon seit der Antike bewährten Tradition der heiligen Schutzräume, der rechtlichen Auseinandersetzung der jüngsten Vergangenheit und der spirituellen Bedeutung für eine Kirchengemeinde, dem Kirchenasyl konkret Raum zu geben.
Jedem Menschen ist Kirche als Begriff zweierlei: eine religiöse Gemeinschaft, aber eben auch ein Ort. Kirche als Gebäude, als heiligen Raum, der über Jahrhunderte Schutz gewährte gegen Willkür und Verfolgung – eine Geschichte aus dem finsteren Mittelalter, die doch jetzt längst überholt und unbedeutend erscheint, da unsere jetzige Demokratie ein Garant für Recht und Ordnung ist. Und jetzt waren die Zuhörer schon im scheinbar umstrittenen Teil des Vortrags: Bricht Kirchenasyl bestehendes deutsches Recht? Auch hier ist eine historische Einordnung notwendig: gerade weil wir verstehen, dass Recht immer nur ein Ringen um Gerechtigkeit sein kann, hat die Kirche als staatliches Gegenüber die Pflicht, den Fremden zu seinem staatlich garantiertem Recht auf Asyl zu verhelfen. Die Väter und Mütter der deutschen Verfassung kannten die Gefahren eines sich absolut setzenden Staates mit Blick auf den Nationalsozialismus und räumten absichtlich den Kirchen Souveränitäten als Gegenüber des Staates ein. Nicht, um rechtsfreie Räume zu schaffen, sondern um den Schutz vor absoluter Gewalt zu sichern. Weder kirchlicher noch staatlicher Raum ist ganzheitlich souverän. Wo die Kirche versagt, muss das staatliche Recht greifen. Wo aber der Staat zu versagen droht, muss die Kirche eingreifen. In dieser Verpflichtung steht das Kirchenasyl. Mit den jüngsten Gerichtsurteile hat die Judikative hier auch Klarheit wieder hergestellt: Kirchenasyl ist nicht am Staat vorbei und auch kein rechtsfreier Raum. Alle Urteile auf strafrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Ebene gegen Kirchenmitglieder, die konkret Kirchenasyl gewährt haben, wurden aufgehoben.
Zum Abschluss des Vortrags wurde noch der dritte Bereich beleuchtet: die Bedeutung für die christliche Kirchengemeinde. Mit Kirchenasyl wird das globale Problem der Flucht nicht gelöst, aber Kirchengemeinden können sich hier der Wirklichkeit stellen. Die Wirklichkeit in der Begegnung mit dem Fremden und auch mit dem Leid ist unsere spirituelle Aufgabe.
Ein Zuhörer fasst es für alle treffend zusammen: „Was für ein Glück wir haben, dass hier in Bad Tölz Kirchenasyl möglich ist.“
Sabine Rest