Weihnachtspredigt

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Liebe Gemeinde,

2020 ist noch nicht ganz vorbei, aber es steht längst fest, dass Corona gleichzeitig das Wort und auch das Unwort des Jahres ist. Insofern kommen wir heute nicht einmal in der Weihnachtspredigt an Corona vorbei, auch wenn wir dieses Wort alle nicht mehr hören können. Aber keine Panik, an Corona an sich kommen wir heute Abend dank unserer Sicherheitsmaßnahmen dann doch vorbei.

Coronabedingt ist auch Weihnachten anders als sonst. Wir feiern unsere Gottesdienste mit Abstand, mit Maske, ohne Gesang und zum Teil im Freien. Wer hätte sich das vor einem Jahr vorstellen können? Und jetzt sind wir schon froh, dass wir überhaupt noch Gottesdienst feiern können.

Da fühlt man sich Maria und Joseph noch näher als sonst. Denn die mussten auch improvisieren. Sie hatten wie viele Gottesdienstbesucher am Hl. Abend kein vernünftiges Dach über dem Kopf. Statt in einer schönen Herberge landeten sie in einem Stall. Warm war es da bestimmt auch nicht.

Vielleicht kommt man dem ursprünglichen Hl. Abend-Feeling mit Zähneklappern und Bibbern tatsächlich ein bisschen näher als mit Kerzenschein und Elektro-Heizung.

Heute Abend haben wir hier nicht einmal einen Bildschirm. Dabei haben wir einen Großteil des Jahres vor Bildschirmen im Homeoffice oder beim Homeschooling verbracht. Das Weihnachtsgeschenk des Jahres hätte ein Abo des Streamingdienstes Netflix werden können, aber seit dem Lockdown hat das gefühlt eh schon jeder zweite.

Aber ich mag gar nicht schimpfen: Zum Glück haben wir in Lockdown-Zeiten die digitalen Medien. Vor 20 Jahren wäre es noch viel schwerer gewesen Kontakt zu halten.

Corona war wie ein Brandbeschleuniger für die Digitalisierung. Sogar viele Pfarrer haben sich von der Kanzel auf die digitalen Plattformen gewagt und notgedrungen Gottesdienste auf YouTube hochgeladen oder Konfi-Kurs als Videokonferenz gehalten.

Da fühle ich mich jetzt hier fast ein bisschen nackig ohne Kamera, Beamer, Headset, Soundbox und einer fetten Mehrfachsteckdose mit Starkstromanschluss.

Und doch bin ich so ganz traditionell und ganz ohne Augenflimmern mit Blick auf Maria und Josef in guter Gesellschaft. Irgendwie ist das ehrlicher und authentischer, hier wird nichts geschnitten, keine Kamera die Bilder vorselektiert und alles wird live performt. Hoffentlich schaffen wir es nach Corona wieder zurück zu echten Begegnungen, wo man sich anders als bei der Videokonferenz auch richtig in die Augen schauen kann.

Im Stall von Bethlehem gab es weder Wlan noch USB 3.0, sondern nur den Sternenhimmel, der durch die Ritzen im Dach in den Stall hineinstrahlte. Und nicht zu vergessen: das Heer der himmlischen Heerscharen!

Manchmal frage ich mich, ob wir die Engel überhaupt noch sehen. In unserer Welt funkelt so viel, dass wir ganz geblendet sind. Im Frühjahr wurde noch für Krankenschwestern und Pflegepersonal applaudiert. Im Herbst flossen die Gelder dann doch wieder in die Wirtschaft.

Was sagen wohl Ochs und Esel dazu? Im letzten Jahr habe ich hier über den Esel gepredigt. Ich verschone uns heute vor einer Ochsenpredigt. Aber spannend wäre es schon, was die Tiere uns im Corona-Jahr zu sagen hätten. Vermutlich ist das Corona-Virus ja von einer Fledermaus auf den Menschen übergesprungen. Anlass genug, um unser Verhältnis zu den Tieren in den Blick zu nehmen wäre das.

Viele haben sich gefreut, als es wieder Delfine in der Lagune von Venedig gab. Das ist längst schon wieder vorbei. Und doch hat Corona uns gezeigt, wie schnell wir handeln können. Das macht doch wirklich Hoffnung für die nächste Krise, die noch viel dramatischer ist, der Klimawandel.

Corona hat gezeigt: Es bringt nichts vor lauter Frust Krisen zu leugnen und wir müssen uns auch nicht in Verschwörungstheorien flüchten. Wir als Menschheit haben das Potential Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

Aber noch sind wir mittendrin, auch wenn der Impfstoff nicht nur in Sicht, sondern schon da ist. So ging es wohl auch den Hirten. Der Heiland ist da, hörten sie. Aber noch lebten sie in ihrer armseligen Welt.

Sollen sie sich jetzt wirklich aufmachen zum Kind? Oder lieber am warmen Feuer sitzenbleiben? Was ist jetzt dran?

Das war schwer zu entscheiden und noch schwerer zu verstehen, so wie vieles in unserer Welt. Die Corona-Krise hat unsere Gesellschaft noch mehr polarisiert. Nicht in jeder Situation machten die Anti-Corona-Maßnahmen Sinn. Und so machen sich die einen Sorgen um die Bildung der Jugend, um die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und des Staates. Andere sorgen sich um das Leben ihrer Angehörigen. Alle sind betroffen und haben irgendwo Recht. Vieles wird wie für die Hirten damals erst im Nachhinein verständlich sein.

Ich weiß gar nicht, ob alle Hirten zum Stall gegangen sind. Gott zwingt niemanden. Und auch bei uns heißt Demokratie nicht, dass immer alle einer Meinung sein müssen. Jeder darf seine Meinung haben, darf seinen Weg gehen. Das geht aber nur in einer Demokratie. Corona hat aber auch unsere Demokratie auf die Probe gestellt.

Wir haben in diesem Jahr vor dem Bundestag veraltete Deutschlandfahnen gesehen. Fahnen, die für einen obrigkeitshörigen Staat und nicht für unsere freiheitliche Demokratie stehen. Im Kampf gegen Corona wurden kurzfristig manche Grundrechte ausgehebelt. Kann die Demokratie überhaupt die Probleme unserer Zeit bewältigen, wurde gefragt.

Eine Demokratie ist vielleicht immer nur so gut wie ihre Bürgerschaft. Aber wenn man im nächsten Kapitel der Weihnachtsgeschichte liest, was König Herodes mit den Bethlehemer Kindern angestellt hat, dann hätte Maria ihr Kind wohl lieber in einer Demokratie wie der unseren geboren.

Im Stall von Bethlehem kommen am Ende auch die Waisen aus dem Morgenland an. Die sind nach langer Reise am Ziel, am Gipfel angekommen. D.h. aber auch, dass es von nun an nur noch bergab geht. Jetzt sind sie arbeitslos. Diese Sterndeuter stehen im Corona-Jahr für alle weltweit, die plötzlich einen Rückschritt machen müssen, weil sie ihre Arbeit oder einen Angehörigen verloren haben. Oder ein Problem haben, dass überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird, weil nur noch auf die Corona-Statistik geschaut wird. Plötzlich heißt es ganz andere Wege zu gehen. Ihr Stern ist plötzlich erloschen. Werden Sie von uns noch gesehen, jetzt wo sie im Dunkeln stehen?

Heute sammeln wir für die Organisation „Brot für die Welt“ und zünden damit für den ein oder anderen wieder ein Licht an.

Liebe Gemeinde,

die Weihnachtsgeschichte lehrt uns in diesem Jahr v.a. zwei Sachen: 

Zum einen: Die Welt geht so schnell nicht unter. Die Krisen kommen und gehen scheinbar immer schneller. Die Welt dreht sich dennoch weiter.

Die nächste Krise wird nicht kommen, sie ist längst schon da. Dennoch müssen wir uns vor Sorgen nicht ständig verrückt machen. Denken wir lieber an die Krippenfiguren, die ganz persönlich von allen möglichen Krisen betroffen waren und doch immer noch Augen für das Leuchten des Sterns hatten. Bleiben wir wie Maria und Josef froh und dankbar für die alltäglichen Dinge, für unser kleines Glück! Sie sind nicht selbstverständlich.

Das Zweite was Weihnachten uns zeigt ist, dass

das Wesentliche bestehen bleibt, auch wenn die Welt sich täglich verändert. Am Ende des Tages zählt immer noch das Wesentliche, was wir auch im Stall von Bethlehem finden: das Leben, die Liebe, die Gott uns schenkt, die Liebe zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Tier.

Am Klopapier jedenfalls hängt nicht das Heil der Welt. Amen